Grand IFFMH Award

NICOLAS WINDING REFN

Mit diesem AWARD ehren wir, das Team des IFFMH, die aus unser Sicht eindrücklichsten, stilprägendsten und innovativsten Filmemacher*innen der Gegenwart und zeigen einen herausragenden Film aus ihrem Werk. Der GRAND IFFMH AWARD ist mit 10.000 Euro dotiert.

Preisträger in diesem Jahr ist der dänische Regisseur Nicolas Winding Refn. Mit ›Pusher‹, ›Drive‹ und ›Only God Forgives‹ sind drei bahnbrechende und stilprägende Filme aus seinem Werk auf dem IFFMH zu erleben. Und nicht nur das: Der berühmte Regisseur erlaubt uns in einer für alle Interessierten offenen Gesprächsrunde, unserer Masterclass, Einblicke in sein Schaffen und hilft uns, seine kinematografischen Visionen zu deuten.

NICOLAS WINDING REFN

Vor über zwanzig Jahren war Nicolas Winding Refn mit seinem zweiten Film ›Bleeder‹ Gast des IFFMH. Damals war noch nicht abzusehen, welche steile Weltkarriere der aus Dänemark stammende Regisseur machen würde. Er hat sich nicht nur in Hollywood etabliert, sondern dort mit ›Drive‹, ›Only God Forgives‹ und ›The Neon Demon‹ gleich drei der prägenden Filme des frühen 21. Jahrhunderts realisiert. Und mit einigen der bedeutendsten Schauspieler*innen unserer Zeit zusammengearbeitet. Allen voran mit Ryan Gosling, aber auch mit Carey Mulligan, Kristin Scott Thomas, Jena Malone, Elle Fanning, Christina Hendricks und Keanu Reeves.

Vorangegangen war dem Hollywood-Durchbruch eine europäische Karriere, die ihn von der ›Pusher‹-Trilogie zu den ArthouseHits ›Bronson‹ und ›Walhalla Rising‹ geführt hatte. Die frühen dänischen unterscheiden sich dabei deutlich von seinen Hollywood-Filmen: Leichte Körnung der Bilder, schnelle Schnittfolgen und eine Kamera, die immer nah an den Figuren ist, vermitteln uns den Eindruck, die Geschehnisse beinahe live mitzuerleben. ›Bronson‹ markiert dann einen Einschnitt in Refns Schaffen: Hier beginnt der Weg zu einer stärkeren Stilisierung und aufwendig produzierten Bildsprache, für die der Regisseur heute international berühmt ist.

Diese Bildsprache überwältigt uns, lässt uns immer wieder staunen. Zu ihr gehören starke Kontraste von Licht und Schatten, überhaupt viel Dunkelheit. Dann bei ohnehin satten Farben der Einsatz von Farbfiltern, vor allem in Rottönen. Aufnahmen im Gegenlicht. Fließende Kamerabewegungen im Wechsel mit statischen Einstellungen, nicht selten mit symmetrischem Bildaufbau. Dann mal schnellere, mal langsamere, immer präzise rhythmisierte, auf den für die Atmosphäre entscheidenden Score abgestimmte Bildfolgen. Das Ergebnis ist ein Tanz der Bilder oder gar ein Bilder-Beat, ein Herzklopfen des Films. Bemerkenswert ist Refns kinematografische Experimentierfreude, seine eigenständige Vision von Kino jenseits des Mainstreams, das Vertrauen in die bloße Kraft der Bilder. Zu seinem Stil gehören nämlich auch Sprünge in den Zeitebenen, eine starke Reduziertheit des Geschehens, elliptisches Erzählen und das Fusionieren unterschiedlichster Genre-Elemente.

Zentral für Nicolas Winding Refns neuere Filme und Serien ist sicher die Stilisierung der Gewalt. Ganz bewusst erscheint sie nicht naturalistisch, sondern als künstlerisch Gemachtes, in Kunst Eingebettetes, sogar als schön. Nicht von ungefähr, denn der Regisseur versteht die Kunst selbst als Form der Gewalt, die dazu gemacht ist, in den Betrachter einzudringen. Entsprechend vergleicht er die Inszenierung von Gewalt mit Sex. Es gehe um den Aufbau, den emotionalen Zusammenhang. Er sorge dafür, uns Zuschauer mitzureißen. Das Ausblenden des filmischen Originaltons bei gleichzeitigem Einspielen der Musik bereitet dem visuellen Erlebnis der Gewalt die Bühne. Hier hat auch die Slowmotion ihren Platz. Man denke an die legendäre Aufzugszene in ›Drive‹.

Die Figuren selbst sind häufig Archetypen: Der Fahrer in ›Drive‹ und die von anderen Einauge genannte Hauptfigur in ›Walhalla Rising‹ haben keine Namen. Diese Figuren - lange Zeit sind es vor allem Männer, seit ›The Neon Demon‹ verstärkt Frauen - scheinen allesamt ein Problem zu haben, mit der Welt und den Menschen in Kontakt zu treten. Ihr ausgiebiges Schweigen ist der beredte Ausdruck dessen. Doch genau dieses Schweigen verleiht ihnen auch eine geheimnisvolle Aura.

Zuletzt hat sich Nicolas Winding Refn erst mit ›Too Old to Die Young‹ dem Serienformat zugewandt und ist schließlich mit ›Copenhagen Cowboy‹ nach Dänemark zurückgekehrt - aber mit seiner neuen Ästhetik. Die Heldenfigur - und damit geht die Serie sogar über ›The Neon Demon‹ hinaus - ist diesmal eine Frau. Doch das Schweigen bleibt. Unser beglücktes Staunen auch.

Zu unseren anderen Awards geht`s hier entlang!